Heatmap einer Stadt

„Wir wollen, dass Umweltdaten zum Mainstream werden“

Wie ist Karim Tarraf auf die Idee für sein Startup gekommen? Wie hat sich das Team gefunden? Und welchen Kundennutzen hat die Messung der Luftqualität? Der Unternehmensgründer erzählt im Interview wie seine Erfolgsgeschichte an der TU München begann.

Frage: Herr Tarraf, wie sind Sie auf die Idee für Hawa Dawa gekommen und was zeichnet Ihr Produkt aus?

Karim Tarraf: Ich habe mehrere Jahre in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Die Erfahrungen, die ich während des frustrierenden Konzernjobs gemacht habe, gekoppelt mit den prägenden Erlebnissen im arabischen Frühling 2011 haben mich zum Gründen motiviert. Ich wollte nochmal die Bank in der Universität drücken, um dort Ideen zu entwickeln, mit denen ich ein Startup aufbauen kann. Wichtig bei diesem Schritt ist mir der social impact, also eines der großen gesellschaftlichen Probleme anzugehen – seien es Umwelt- oder soziale Themen. An der TU München saß ich im Rahmen eines Seminars zufällig neben einem Inder. Meine Business-Idee ging damals in Richtung Energie-Effizienz, also Smarthome-Anwendungen. In unserem Gespräch kamen wir aber immer wieder auf das Thema Luftqualität. Ich stamme selber aus Kairo, wo die Luft sehr verschmutzt ist. Mein Bruder hatte im Kindesalter Asthma. So war ich an der Thematik nah dran. Es machte für mich also Sinn in diese Richtung zu denken und schnell hatte ich an der Uni ein Team von Gleichgesinnten um mich herum. In dem Seminar entwickelten wir unsere Idee weiter und bastelten an kleinen, tragbaren Sensoren, mit denen man die Luftqualität messen kann, um Risikogruppen, wie Asthmatikern und COPD Patienten zu unterstützen. Im Laufe ausgiebiger Tests kamen wir zu dem Ergebnis, dass nur stationäre Messungen die nötige Datenqualität für solche und ähnliche Anwendungen liefern können. Ein Netzwerk aus diesen kleinen, kostengünstigen Messstationen kann die Luft einer ganzen Stadt überwachen und die Daten für Apps und andere Web-Dienstleistungen in Echtzeit anzeigen. Anwendungen für diesen Service gibt es etliche: Die Dieselproblematik, Mobilität, Stadtplanung, Gesundheits- und Symptom-Management oder Immobilienmanagement und Bewertung. Mit unserem Produkt ermöglichen wir also erstmals Daten zur Luftqualität für Jedermann.

Frage: Wie funktioniert das Produkt, wo ist der Kundennutzen und wie lassen sich die Daten monetarisieren?

Karim Tarraf:  Unsere kleinen, aber dennoch leistungsfähigen Messboxen installieren wir an Lichtmasten, wie z.B. in München, oder an Gebäuden und andere urbaner Infrastruktur wie in Bern. Die Messboxen sind ausschließlich für Messungen im Außenbereich konzipiert: Wetterbständig, wasserfest und gegen Vandalismus geschützt. Sie liefern somit eine solide Basis an Rohdaten. Mit modernster IoT-Technologie landen diese Daten auf der Cloud und werden von einer zentralen künstlichen Intelligenz um die Witterungsbedingungen, den Sensor-Drift und andere Störfaktoren korrigiert. Mit diesem Verfahren können wir als erstes Unternehmen mit einer digitalen und preisgünstigen IoT-Lösung den gesetzlichen Anforderungen an Messgenauigkeit genügen. Darüber hinaus kombiniert unsere Software diese nachveredelten Daten mit andern Datenquellen wie Verkehr, Wetter und Satelliten-Daten, um flächendeckende Modelle in nahezu Echtzeit zu generieren. Zugang zu dieser neuartigen Datenquelle erhalten unsere Kunden mit einer einfach digitalen Schnittstelle (API). Zu unseren Partnern und Kunden zählen Dax-Konzerne in den Bereichen IT-Dienstleistungen und Telekommunikation, sowie Rückversicherer aber auch Städte und Kommunen. Diese Bandbreite an Dienstleistungen und Kompetenzen verdanken wir unserem einmaligen Team.

Frage: Wie setzt sich Ihr Team zusammen, was ist besonders?

Karim Tarraf: Zu unserem Team gehören Softwareentwickler, Statistiker, Verkehrs- und Neurowissenschaftler, Mechatroniker, Ökoklimatologen und Betriebswirte. Das Besondere: Wir haben uns alle ohne große Ausschreibungen zusammengefunden und gemerkt, dass es passt. Unsere Kompetenzen ergänzen sich hervorragend und wir können durch die Kombination unseres Know-Hows einen großen Beitrag zur Lösung eines der dringendsten Probleme unserer Zeit beisteuern.  Das Team zeichnet sich auch durch seine hohe Internationalität und Vielfalt aus. Sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen, aus acht Ländern, haben unterschiedliche Lebensgeschichten, sprechen sechs, sieben Sprachen und wir haben einen hohen Frauenanteil.

Frage: Wie sehen Markt und Wettbewerb aus?

Karim Tarraf: Der Markt für Umweltdaten wächst rasant. Innerhalb der vergangenen sieben Jahre hat sich die Zahl der Städte verdreifacht, die Umweltdaten erheben. Das gilt vor allem für die reichen Länder Europas. Dies liegt daran, dass die bisherigen Container-Lösungen sehr teuer und komplex sind. Unsere günstigere Lösung allerdings können sich auch Schwellen- und Entwicklungsländer leisten. Erste Kontakte nach Lateinamerika, Nordafrika und Asien sind bereits entstanden. Durch die Digitalisierung entstehen auch vollkommen neue Geschäftsmodelle, die sich aus der Kombination mehrere Datensätze ergeben. Somit steigt das Angebot an Smart-City Dienstleistungen rasant und die Nachfrage nach verlässlichen Umweltdaten wächst bei uns stetig. Wettbewerber in diesem Markt gibt es einige. Vor allem seit der medialen Welle des Dieselskandals erkennen viele Unternehmen die Notwendigkeit von mehr Luftqualitätsdaten. Wer jedoch im Markt und vor allem von Städten ernst genommen werden will, muss die Komplexität von Outdoor-Messungen im Detail verstehen und die Messunsicherheit anhand von offiziellen Feldtests, die sich an der Gesetzgebung orientieren, angeben können. Da sehen wir im Moment unsere Stärke und sehen uns als Technologieführer in dieser Branche. ————————————– Das Interview führte Andreas Nölting www.noeltingmedia.com